Philipp Müller 6.8.1976 bis 15.9.2007 – 2 Jahre danach

Westfriedhof Köln – ein ehemaliger Arbeitskollege von Philipp und mir spricht mich auf der Beerdigung an:
„Warum gibt es eigentlich so viele Arschlöcher, die weiterleben, und Philipp beerdigen wir heute?“
Diese Frage beschäftigt mich seit zwei Jahren. Wieso ist Philipp tot?

Könnt Ihr es fassen?
Philipp Müller, Philipp, Philphil, Phip, Phips, Philhuhn, Müller, Gonzales, PhiMü, Subcomandante, WonderTRA, Mütze, Präsi, Philippovic, P Mula, der Präses, DER UR-JÖTTERFUNKE.
Er ist seit 2 Jahren tot.
Vielen würden sagen „von uns gegangen“, „hat uns verlassen“, „wurde zu Grabe getraben“, „ist im Himmel“, „guckt auf uns herunter“, „hört uns von oben zu“.
Für mich ist das ist alles Kokolores (versteht mich nicht falsch, jedem sein Glaube, aber meiner ist es nunmal nicht).
Philipp ist tot und nichts wird ihn uns wiederbringen.

Mein Leben ist um einiges leerer und trostloser, seit er tot ist. Er fehlt mir jeden Tag, jede Stunde und ich kann bis heute nicht fassen, dass er nicht irgendwann mit seinem verschmitzten, leicht wahnsinnig anmutenden Grinsen um die Ecke gebogen kommt, als ob er gerade etwas ausgefressen hat, und ruft:
„Winkler, Du Sau, was machen wir heute?“
Ich warte jeden Tag, auf die obligatorischen SMS, die wir uns gegenseitig immer um 11 Uhr 11 geschickt haben, deren Inhalt nur aus 5 Zeichen besteht:
„Alaaf“

Philipp ist tot.
Ich glaube nicht an den Himmel, ich glaube nicht an Gott, ob es ihn nun gibt oder nicht. Für mich ist am 15. September 2007 etwas Schreckliches, Unfassbares passiert.
Philipp hörte auf zu atmen, kurz danach hörte sein Herz auf zu schlagen, sein Hirn wurde nicht mehr durchblutet, sein Körper war zu schwach, um seinem starken, lebenswilligen Geist weiter durch die Welt zu tragen.
Der Körper starb, und damit auch der Geist.
Philipp hörte auf zu existieren.

Und er fehlt mir.
Manchmal sitze ich zuhause auf der Couch, im Büro auf der Arbeit, im Auto oder sonst wo, gucke mit leerem Blick in die Gegend, nehme meine Umgebung nur noch undeutlich, unterbewusst wahr und erinnere mich an einen Abend in der Stadt mit Philipp, an unsere Forme-Urlaub, als Philipp uns „Crusty den Clown“ machte, an Silvester 2000, als Philipp so unbeholfen auf dem Snowboard stand und sich eigentlich nur so richtig beim Apreski wohlfühlte oder an unsere alljährliche Geburtstagsparty für Jesus am 25. Dezember.
Bis heute ist es so:
Ich höre etwas Lustiges im Radio, lese irgendwo ein Zitat von Konrad Adenauer (für uns nur „uns Konni“), sehe einen Bericht über Formentera im Fernsehen, oder höre im Gemurmel der Menge einen Spruch, den wir uns auch immer an den Kopf geworfen haben… und will es sofort Philipp erzählen.
Manchmal krame ich mein Handy raus, um seine Nummer zu wählen, die noch immer unter „P Mula“ gespeichert ist, nur um kurz danach zu merken, was ich gerade tue.

Philipp hat das Leben immer und in vollen Zügen genossen, selbst zu seinem 31. Geburtstag haben wir, noch in der Reha-Klinik in Marmagen, beschlossen, zusammen nochmal nach Forme zu fahren, „wenn alles wieder gut ist“.
Wir wollten zusammen nach Buenos Aires fahren, und uns über mehrere Tage morgens, mittags und abends durch die Churascerias futtern.
Wir wollten Hierbas und Mahou (natürlich nur das „Cinco Estrellas“) trinken.
Wir sponnen unsere Pläne weiter, von einer Kölschkneipe mit angeschlossener Restauration, Pension, integriertem Radiosender (RAF – Radio Allemann… un Frau), Cocktailbar, direkt und als einzige Location an einem abgelegenen spanischen Strand gelegen, Tomtom sollte die Puffmutter für das nahegelegene Etablissemeng machen.
Wir gründeten im Geiste die KöRR (Kölsche, rheinländische Republik, ohne Düsseldorf versteht sich, um das wir eine Mauer bauen wollten).
Der Erdrutschsieg der PUR (Partei für ein Unabhängiges Rheinland), den Philipp und ich durch überzeugenden Wahlkampf im Rheinland errungen hatten, machte dies möglich.
Philipp war natürlich Präses der KöRR(oD), ich machte den Kanzler.
Köln wurde Hauptstadt.
Ausgerufen wurde die Republik vom Balkon des historischen Rathauses, ähnlich wie am 9. November 1918; der Vorname blieb unverändert, lediglich Scheidemann änderte sich zu Müller.

Genauso wollten wir uns mal, einfach so aus Spaß, einen VW Touareg mieten, und ihn, getreu seines Namens, zu den Touareg fahren.
Oder einfach mal ne Runde ums Mittelmeer drehen.
Unvergessen auch der Plan, mit dem Moped nach Japan zu fahren.

All diese Spinnereien, Philipps Lebensfreude und Elan, mit dem er sich für alles begeistern konnte, was er tat, machten ihn zu dem, der er war.
Man konnte ihn in einer wildfremden Stadt, vor einem ihm unbekannten Lokal aussetzen, in dem er niemanden kannte. Kam man 20 Minuten später in eben dieses Lokal, kannte Philipp alle Anwesenden mit Namen, Lebensgeschichte und dem ein oder anderen Geheimnis, dass nur engen Freunden anvertrauen würde.
Er hat immer und überall Menschen zum lachen gebracht und sein Leben in vollen Zügen genossen, auf seine verrückte Art und Weise.

Ich lache jedes Mal Tränen, wenn ich mich an unseren Roadtrip von Toronto, durch Quebec nach Goosebay in Labrador erinnere („Oh my god, everybody, come over here, this guy wants to go to Goosebay… NOBODY wants to go to Goosebay!!“).
5.800 Kilometer in 5 Tagen Fahrt, davon knappe 3.000 auf Schotterstraßen, die sich die Quebecois doch glatt erdreisten „Highway“ zu nennen.
Den Grizzly, in den wir fast mitsamt seines Jungen gefahren wären.
Thanksgiving 2002, dass wir in einem starken Blizzard in Labrador-City verbrachten.
An der Tankstelle in Churchill-Falls (einzige Tankstelle innerhalb von 350km in jede Richtung), als die Frau hinter der Theke zu Philipp sagte: „See you“, worauf er antwortete: „Only in a place far, far away from here!“.
Oder die Rückfahrt vom Club in Goosebay, als uns die Militärpolizei freundlicher Weise mitnahm, weil die Italiener doch keine Schlägereien angezettelt hatten.
Wir haben Tränen gelacht, weil uns der MP nicht verhaften wollte.
Schlussendlich saß ich vorne, Philipp, Jabobbele und ein Kumpel von ihm saßen auf der Rückbank und spielten die Verhafteten.
Als wir den Mietwagen zurückgaben und den Kilometerstand durchgaben (der Mietvertrag ließ nur Fahrten in der Provinz Ontario zu), sagte der Kerl von Thrifty zu uns: „Oh, you guys have seen a lot of Places, huh!“, worauf hin wir prustend mit „Yup“ antworteten.

Philipp hinterlässt eine Lücke in meinem Herzen, die nie wieder vollständig gefüllt wird.

Ich kenne niemanden, der soviel Leidenschaft und Begeisterung für Köln, das kölner Brauchtum und den Karneval mitbrachte – seine kölsche Heimat (nicht ohne Grund waren seine Ressorts als Redakteur bei center.tv Köln, Karneval und Kirche).
Kölle, uns Vatterstadt, hät singe jrößte Fan verlore.
Jedesmal wenn ich „Du… (bes die Stadt)“, „Schwarze Madonna“ oder „Ich ben ene kölsche Jung“ höre, ringe ich mit mir und denke an den Tag, als wir Philipp auf dem Westfriedhof beerdigt haben.

Das Schönste, was Philipp uns hinterlassen hat, ist ein breites Grinsen im Gesicht derjenigen, die an ihn denken.

Zwei Jahre ist es nun her, und trotzdem sehe ich Dich jeden Tag, Du fehlst!

Schöne Grüße, und ein dreifach donnerndes Alaaf auf Dich, „bis später„… machet jot, äver nit ze oft!

ben

PS: Ein paar Bilder von Philipp: http://bit.ly/1q3kwkC

2 Gedanken zu „Philipp Müller 6.8.1976 bis 15.9.2007 – 2 Jahre danach“

  1. Ich lese diesen Bericht jetzt erst – 2016.
    Doch mit deinen wunderbaren Worten hast du mich wieder viele Jahre zurückversetzt. Danke.

    1. Hallo Alex,

      danke für Dein Kommentar.
      Philipp ist auch heute noch sehr oft in meinen Gedanken und fast jeden Tag bei mir.
      Letztens habe ich das Foto von ihm und Mario, das in Hintertux während der „Kölschen Wochen“ 2005 (?) aufgenommen wurde und in der Tenne hängt, von drei Personen, unabhängig voneinander, geschickt bekommen, herrlich!

      Er fehlt!

      Kölsche Woche 2005 (?), auch in 2016 noch in der Tenne in Hintertux zu sehen

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